Laudatio und Danksagung

 

Laudatio auf Prof. Dr. Gerhard Seifert, Hamburg,
anlässlich der Verleihung der Joachim Jungius-Medaille.

Von Prof. Dr. Dr. h. c. mult. Karl Lennert, Kiel

Herr Präsident, lieber Herr SEIFERT, meine sehr verehrten Damen, meine Herren!

Gerne habe ich die ehrenvolle Aufgabe übernommen, meinem Hamburger Fachkollegen und über 30 jährigen Weggenossen Professor GERHARD SEIFERT die Laudatio zur Verleihung der Joachim Jungius Medaille zu halten.
GERHARD SEIFERT wurde l921 in Leipzig geboren, studierte und habilitierte sich dort und kam über Münster l965 als Ordinarius für Allgemeine Pathologie und pathologische Anatomie an die Universität Hamburg, wo er bis zu seiner Emeritierung im Jahre l988 wirkte. Soweit die nackten Tatsachen zur Person.
Nun aber zur Sache, die uns heute hier zusammengeführt hat. Natürlich habe ich in unserer Satzung nachgesehen, wofür denn die hohe Auszeichnung mit der Joachim Jungius-Medaille verliehen wird, um den zu Ehrenden auch gebührend zu würdigen. Und dabei wurde ich überraschend gewahr, daß sich unsere 1. Satzung von der derzeit gültigen neueren Satzung unterscheidet: Zunächst hieß es, die Medaille würde gestiftet für hervorragende wissenschaftliche Leistungen und für besondere Verdienste um die Joachim Jungius-Gesellschaft. Jetzt ist der 2. Teil der Stiftungsbegründung weggefallen. Das kann ich angesichts meiner Aufgabe nur bedauern, weil der heute zu Ehrende, GERHARD SEIFERT, auch das 2. Auswahlkriterium in ausgezeichneter Weise erfüllen würde. Ich kann es mir dennoch nicht verkneifen, auf die 3 Amtsperioden hinzuweisen, die Herr SEIFERT nach seiner Emeritierung in unermüdlicher Aktivität der Joachim Jungius-Gesellschaft als Präsident gedient hat. Er bekommt heute dafür nicht die Medaille, aber es ist ja wohl nicht untersagt, Herrn SEIFERT bei dieser Gelegenheit noch einmal für seine engagierte und ideenreiche Tätigkeit als unser Präsident herzlich zu danken.
Nun aber zu der einzig gültigen Begründung für die Verleihung der Joachim Jungius Medaille: es heißt jetzt, sie würdige herausragende Leistungen in Wissenschaft und Forschung.
Wenn ich diese Begründung zu geben versuche, so muß ich die Frage beantworten, welche Aktivitäten des Auszuzeichnenden in seinem umfangreichen wissenschaftlichen œuvre denn herausragen, mehr sind als gut oder sehr gut, bleibenden oder doch wenigstens länger überdauernden hohen wissenschaftlichen Wert haben.
In dieser Hinsicht hat es mir Herr SEIFERT leicht gemacht: Er schrieb im vergangenen Jahr als Krönung seines Lebenswerkes eine Zusammenfassung seiner jahrzehntelangen Studien über die Pathologie der Speicheldrüsen. Er tat dies nicht nur auf der Basis unzähliger Publikationen seiner Arbeitsgruppe und einer kompletten Berücksichtigung der weitverzweigten Weltliteratur, sondern vor allem auf der Basis einer vollkommenen Auswertung des von ihm l965 gegründeten Speicheldrüsen-Registers.
Hier muß ich für die Nicht-Mediziner unter Ihnen einfügen, was es mit einem Organ-Register in der Pathologie auf sich hat. In den sechziger Jahren wurden von der DFG in einigen deutschen Instituten überregionale histologische Unter-suchungs-stellen als sogenante Hilfseinrichtungen der Forschung geschaffen. Sie sollten in diagnostisch schwierigen Gewebsproben eines bestimmten Organs – hier der Speicheldrüsen – den deutschen Pathologen mit ihrer Spezialerfahrung diagnostisch beraten. Grundidee und Hauptaufgabe der Register war es jedoch, soviele Fälle wie möglich von einem Organ zu sammeln und nach einheitlichen Kriterien und mit allen möglichen Techniken auszuwerten.
Die Übernahme eines solchen Organregisters stellte für den Betreffenden eine große zusätzliche zeitliche Belastung und eine ständige Bewährungsprobe dar. Der positive Effekt, speziell hier im Hamburger Speicheldrüsen-Register, übertraf alle Erwartungen.
Sehen wir von dem wichtigsten Effekt ab, dem Kranken durch eine sichere und spezifizierte Diagnose zu einer kunstgerechten Therapie zu verhelfen, so rückt die wissenschaftliche Bedeutung eines Organregisters in den Blickpunkt. Und nur um diese kann es hier gehen.
Da ist bereits ein simpel erscheinendes Ergebnis von großer Bedeutung: Wir erhalten Zahlen über die Häufigkeit der einzelnen Speicheldrüsen-Erkrankungen. Denn für den Kliniker und Pathologen ist es wichtig, zuerst an die häufigen Erkrankungen zu denken, und dann zu wissen, was es an Spezialitäten noch zu bedenken gibt. Darüber kann nur eine Statistik an großem Untersuchungsgut Aufschluß geben. Speicheldrüsen-Erkrankungen sind aber an sich selten; so treten Speichel-drüsentumoren nur etwa 1 - 2 mal im Jahr unter l00 000 Europäern auf. GERHARD SEIFERT hat in 30 Jahren 6646 solcher Tumoren gesammelt und analysiert. Dabei diagnostizierte er entsprechend der neuen international verbindlichen, von ihm selbst federführend erarbeiteten WHO-Klassifikation nicht weniger als 12 gutartige und l8 bösartige Tumortypen. Jeder Tumortyp hat seine eigene Gestalt, sein charakteristisches klinisches Verhalten, vor allem aber hängt das Schicksal des Patienten wesentlich an der spezifizierten Diagnose. Unter den insgesamt 30 (!) Tumortypen sind einige extrem selten, aber selbst diese kommen in dem Hamburger Unter-suchnungsgut noch so häufig vor, daß man Behandlungsvorschläge und Voraussagen machen kann.
Schon wieder bin ich bei der praktischen Seite der Registerfunktion. Nun aber zurück zur wissenschaftlchen Auswertung der Registerfälle.
GERHARD SEIFERT erkannte rasch – schnelle Reaktion ist ohnehin ein Hauptmerkmal unseres Medaillenkandidaten – , daß eine Fülle von neuen Methoden geradezu aus dem Boden schossen, die nicht nur die Diagnostik weiter absicherten und verfeinerten, sondern die auch die Abkunft der Tumoren und ihre molekulargenetischen Zusammenhänge mehr und mehr erhellten. Ich kann hier nur die Stichworte geben: Immunhistochemie (Tumormarker), Zellrezeptoren, Onkogene, Proli-ferationsmarker, Zytogenetik, DNS-Cytophotometrie, daneben die klassische Elektronenmikroskopie und Histocheme. Alle diese Techniken wurden in SEIFERTs Register eingesetzt. Die Ergebnisse sind in dem eben erschienenen Handbuch eingehend und kompetent wiedergegeben. Diese Monographie dürfte über viele Jahre das Standardwerk der Speicheldrüsen-Pathologie bleiben und, mit kleinen Ergänzungen und neuen Erkenntnissen angereichert, noch lange eine zuverlässige Basis für den diagnostisch tätigen Pathologen sein. Es war mutig und selbstbewußt zugleich, das Buch in deutscher Sprache herauszubringen. Großartig! Aber vielleicht sollte man die englischsprechende wissenschaftliche Welt auch noch daran partizipieren lassen und eine englische Übersetzung nachschieben? Denn selbst die besten deutschsprachigen Bücher sind – wie Sie alle wissen – im anglo-amerikani-schen Raum einfach nicht existent.
Eine herausragende wissenschaftliche Qualifikation drückt sich u. a. auch in Präsident-schaften, Ernennungen zu Akademie-Mitgliedern und Ehrenmitgliedern, in Auszeichnungen und Herausgeberfunktionen aus. Ich hätte meine Laudatio allein mit den unzähligen Positiva dieser äußerlich sichtbaren Zeichen der Wertschätzung von GERHARD SEIFERT in der Welt der Wissenschaft bestreiten können. Ich muß es mir versagen und weiß, daß Sie damit viele wichtige Informationen versäumen.
Ich muß es mir auch versagen, über die vielen uneigennützigen Einsätze GERHARD SEIFERTs zu berichten, wenn es darum ging, wer einen nationalen oder internationalen Kongress organisiert oder wer die leidige Last des Schriftführers einer wissenschaftlichen Gesellschaft oder die des Moderators einer erlauchten internationalen Arbeitsgruppe trägt. GERHARD SEIFERT war überall zur Stelle, stets mit frohem Mut und mit großem Organisationstalent. So kennen wir ihn ja auch von unserer Jungius-Gesellschaft. Und wir kennen ihn nicht nur als einen geschickten aktivierenden Präsidenten, sondern wissen auch um seinen weiten Blick, seine breite Bildung und seinen unerschütterlichen Optimismus.
Der Lausanner Arzt TISSOT sorgte sich in einem berühmt gewordenen Traktat schon l768 um die Gesundheit der Gelehrten und folgerte, daß die Leidenschaft für die Wissenschaft vielleicht als die blindeste aller Leidenschaften und – heute würde man mit SCHIPPERGES sagen – als die Berufskrankheit eines Gelehrten anzusehen sei. Lieber Herr SEIFERT: Sie sehen trotz aller Leidenschaft noch recht gesund aus. Bleiben Sie es!

Danksagung

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