Danksagung
von Professor Dr. Walther Ludwig

Herr Präsident, meine Damen und Herren,
bisher war ich der Joachim Jungius-Gesellschaft dankbar für viele Anregungen, die mir die Vorträge anderer Mitglieder brachten, für die Kontakte, die ich mit Wissenschaftlern außerhalb meines Faches knüpfen konnte, für die Möglichkeit, eigene Arbeiten zur Diskussion zu stellen und rasch zu veröffentlichen, und für die durch das Ehepaar GREVE ermöglichte Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses. Jetzt kann ich der Joachim Jungius-Gesellschaft zusätzlich für die Anerkennung danken, die sie meiner wissenschaftlichen Arbeit durch die Verleihung der Joachim Jungius-Medaille zuteil werden ließ, und freue mich dabei auch über die indirekte Anerkennung, die meine Fachgebiete, die Klassische und die Neulateinische Philologie, dadurch erfuhren. Ein Klassischer Philologe wird damit nach BRUNO SNELL zum zweitenmal durch die Joachim Jungius-Medaille geehrt, ein Neolatinist zum erstenmal.
Bis in die sechziger Jahre des letzten Jahrhunderts habe ich mich als Interpret der antiken griechischen und lateinischen Literatur ausschließlich mit dem traditionellen zweifachen Arbeitsbereich eines Klassischen Philologen beschäftigt. Damals aber wurde mir bewußt, daß es eine äußerst umfangreiche und wichtige eigene lateinische Literatur in der frühen Neuzeit Europas gibt, denn die lateinische Sprache war ja im 15.-18. Jahrhundert in Kirche, Kunst und Gewerbe, Literatur und Wissenschaft, in alltäglichen Situationen und an Feiertagen ein verbreitetes Medium der Kommunikation. Deshalb haben auch alle historischen Disziplinen von der Theologie bis zur Rechtsgeschichte, von der Kunstgeschichte bis zur Germanistik, von der Naturwissenschaftsgeschichte bis zur Philosophie mit neuzeitlichen lateinischen Quellen zu tun. Da dies alles aber Texte in lateinischer Sprache sind, erkannte ich mit anderen es als eine Aufgabe der Klassischen Philologen, zur Entdeckung und Erschließung der neuzeitlichen lateinischen Literatur beizutragen. Wenn die lateinische Literatur eine weit über 2000-jährige Dimension hat, ist es auch und gerade eine Aufgabe der Latinisten, diese Dimension bewußt zu machen. Sie können die lateinischen Texte der Neuzeit als Dokumente der kulturellen Entwicklung Europas beleuchten, und sie können die anderen beteiligten Disziplinen in ihren Versuchen, ihre jeweiligen lateinischen Quellen in ihre Forschungen einzubeziehen, unterstützen, was insbesondere deshalb unerläßlich ist, weil viele Vertreter und Vertreterinnen dieser Disziplinen heute nicht über Lateinkenntnisse verfügen, die es ihnen ermöglichen, die sie angehenden neuzeitlichen lateinischen Texte selbst zutreffend zu verstehen. Damit haben die Latinisten für die Geschichte der Neuzeit in allen ihren Aspekten sowohl eine Hilfsfunktion als auch eine eigenständige Aufgabe, und der Klassischen Philologie ist zusätzlich zu ihrer herkömmlichen altertumswissenschaftlichen Verortung eine neue Perspektive erwachsen.
In diesem Sinn arbeitete ich in den letzten Jahrzehnten. Und während diese neue Ausrichtung bzw. Erweiterung der Klassischen Philologie national und international in wenn auch begrenztem Maße stetig neue Anhänger gewann, gelang es mir glücklicherweise, an der Universität Hamburg für die Neulateinische Philologie etwas aufzubauen, was man im hochschulpolitischen Neudeutsch ein international anerkanntes Kompetenzcenter nennen könnte. Ich möchte hier allen danken, die mir dabei geholfen haben.
In der medialen Öffentlichkeit ist Latein leider immer noch weithin nur die Sprache der alten Römer. Die Tageszeitung DIE WELT druckte am 13. Mai 2004 einen "Der letzte Römer" betitelten Aufsatz, in dem ein Journalist etwas amüsiert über einen Pater im Vatikan berichtete, der sich dort für die lateinische Sprache einsetze. Der Verfasser stellte gegen Ende seines Interviews an diesen eine Frage, von der er offensichtlich annahm, daß sie vielen seiner Leser aus dem Herzen gesprochen sei: "Was ist denn wirklich verloren, will ich am Schluß von ihm wissen, wenn auch das Lateinische noch verloren geht?" Ist es wirklich so schwer zu erkennen, was für die Wissenschaften dann verloren geht? Die historische Erkenntnisfähigkeit würde weithin durchlöchert und verunmöglicht, und es blieben dann noch einige Zeit Fassadenmalereien mit lateinischen Brocken als Potemkinsche Dörfer zur Kaschierung der Unwissenheit, ein Phänomen, das sich leider schon heute nicht gerade selten beobachten läßt.
Deshalb freue ich mich sehr über die Anerkennung, die die Joachim Jungius-Gesellschaft meinen wissenschaftlichen und wissenschaftsorganisatorischen Arbeiten auf diesem Feld erwiesen hat, und deshalb danke ich ihr von Herzen für diese Auszeichnung.
Ich erlaube mir, an diese Danksagung noch einen speziellen herzlichen Dank an meinen Kollegen KONRAD HELDMANN für seine unvergleichliche Laudatio anzuschließen.

Laudatio

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