Laudatio
Laudatio auf Prof. Dr.
Dr. h.c. Karl August Bettermann, Hamburg,
anlässlich der Verleihung der Joachim Jungius-Medaille.
Von Prof. Dr. Dr. h. c. Albrecht Zeuner, Hamburg.
Herr Präsident, sehr verehrter lieber Herr BETTERMANN,
meine sehr geehrten Damen und Herren,
mit der Verleihung der Joachim Jungius-Medaille würdigt unsere
Gesellschaft - wie es in ihrer Satzung heißt - "herausragende
Leistungen in Wissenschaft und Forschung". Diese hohe Anerkennung
und Ehrung kommt auf Grund des Beschlusses der Mitgliederversammlung
der Joachim Jungius-Gesellschaft heute Ihnen zu, sehr verehrter
lieber Herr BETTERMANN. Die Joachim Jungius-Gesellschaft verleiht
diese Auszeichnung damit einem ebenso scharfsinnigen wie tiefgründigen
und in seinen Einsichten und Überzeugungen eigenständigen
Juristen, der als Wissenschaftler prägend an der Erneuerung
und wirkungskräftigen Fundierung von Recht und Rechtsstaat
in unserem Lande mitgewirkt hat.
KARL AUGUST BETTERMANN wurde am 4. August 1913 in Wuppertal geboren.
Nach dem Studium der Rechtswissenschaft promovierte er 1937 in
Gießen mit einer zivilrechtlichen Dissertation über
Fragen des Stellvertretungsrechtes, die 1964 - also nach 27 Jahren
- angesichts ihrer wissenschaftlichen Originalität einen
Neudruck erfuhr und übrigens - wie am Rande angemerkt sei
- weder in der Sache noch auch nur im sprachlichen Ausdruck irgendwelche
Anklänge an das enthält, was zur Zeit ihrer Entstehung
im Lande so weit verbreitet war.
Nach der Rückkehr vom Kriegsdienst übernahm KARL AUGUST
BETTERMANN 1945 das Amt eines Richters am Landgericht Hagen. Neben
der richterlichen Tätigkeit wandte sich BETTERMANN alsbald
auch wieder der rechtswissenschaftlichen Forschung zu und habilierte
sich 1948 in Münster für die Fächer Bürgerliches
Recht und Zivilprozeßrecht mit einer bis zum heutigen Tage
grundlegend gebliebenen Studie über die Vollstreckung des
Zivilurteils in den Grenzen seiner Rechtskraft. Richtertum und
Rechtswissenschaft standen dabei nicht getrennt nebeneinander.
Dass sich beides geistig verbindet und gegenseitig durchdringt,
gehört vielmehr von vornherein zu den kennzeichnenden Merkmalen
der BETTERMANNschen Arbeit am Recht.
Als Richter am Landgericht hatte BETTERMANN im besonderen über
Wohnungsstreitigkeiten zu entscheiden, für die in der damaligen
Zeit kriegsbedingter Wohnungsnot neben den zivilrechtlichen Regeln
des Mietrechts in hohem Maße öffentlich-rechtliche
Vorschriften der Wohnungszwangsbewirtschaftung maßgeblich
waren. Das gab ihm Anlaß, sich nunmehr auch wissenschaftlich
in eindringlichen Untersuchungen mit Grundsatzproblemen des öffentlichen
Rechtes zu befassen, so namentlich etwa mit solchen des gerichtlichen
Rechtsschutzes gegenüber Akten der öffentlichen Gewalt.
1950 führte diese Ausrichtung seiner wissenschaftlichen Arbeit
dazu, dass ihm als bisherigem Zivilrichter an einem Landgericht
das Amt eines Richters am Oberverwaltungsgericht Münster
übertragen wurde. Und 1954 schloß sich auf diesem richterlichen
Abschnitt seines Weges die Berufung zum Richter am Bundesverwaltungsgericht
in Berlin an.
Gleichzeitig ging bei alledem die wissenschaftliche Arbeit unvermindert
fort. Dies war nach außen u.a. damit verbunden, dass BETTERMANN
1955 in Münster zum apl. Professor und an der Freien Universität
in Berlin zum Honorarprofessor für Verwaltungsprozeßrecht
ernannt wurde. 1956 übernahm er dann eine ordentliche Professur
für Staats- und Verwaltungsrecht an der Freien Universität
Berlin und schied dazu aus dem Amt als Richter am Bundesverwaltungsgericht
aus. 1970 schließlich folgte er einem Ruf als ordentlicher
Professor für Zivilprozeßrecht und Allgemeine Prozeßrechtslehre
an die Universität Hamburg und kehrte insoweit - wenn man
so will - in fachlicher Hinsicht zu seinen stets lebendig erhaltenen
wissenschaftlichen Ursprüngen zurück - was ihn freilich
nicht hinderte, weiterhin auch auf dem Gebiet des Staats- und
Verwaltungsrechtes intensiv zu arbeiten. Ein Zeichen internationaler
Anerkennung seines Wirkens war 1980 die Verleihung der Ehrendoktorwürde
durch die Universität Thessaloniki. Als Richter ist KARL
AUGUST BETTERMANN in Hamburg - neben seinem Amt als Hochschullehrer
- von 1970 bis 1978 am Hanseatischen Oberlandesgericht und von
1971 bis 1986 am Hamburgischen Verfassungsgericht tätig gewesen.
Zur richterlichen Seite seines weitgespannten Wirkens gehört
im übrigen auch, dass er von 1962 bis 1968 ehrenamtlicher
Vorsitzender des Verwaltungsgerichtshofs der Evangelischen Kirche
der Union war.
Ein Grundthema, das in der Fülle der wissenschaftlichen Publikationen
von KARL AUGUST BETTERMANN allenthalben anklingt, ist der Rechtsstaat
und seine wirksame, lebenskräftige Entfaltung. So heißt
es etwa sogleich in der ersten Nachkriegszeit in einem 1947 erschienen
Aufsatz, in dem sich der damalige Landgerichtsrat BETTERMANN mit
der grundsätzlichen Klärung von Rechtsfragen aus dem
Bereiche seiner richterlichen Tätigkeit in Wohnungssachen
befaßte: "Der Rechtsstaat, um dessen Wiederaufrichtung
wir ringen".
Es ist an dieser Stelle nicht möglich, den reichen Gehalt
des wissenschaftlichen Werkes KARL AUGUST BETTERMANNs sachlich
auch nur annähernd nachzuzeichnen. Thematisch handelt es
sich - um wenigsten einiges beispielhaft anzudeuten - etwa um
Strukturen gerichtlicher Verfahren und die Verflechtung des Prozeßrechtes
mit dem der Entscheidung zugrunde zu legenden materiellen Recht,
um die Stellung des Richters und der rechtsprechenden Gewalt im
Gesamtgefüge der staatlichen Ordnung, um Dimensionen, Schranken
und Kontrolle hoheitlichen Handelns - einschließlich der
Folgen staatlichen Unrechts, und um Grundrechte und ihre Grenzen.
Versucht werden mag indessen, etwas über charakteristische
Merkmale BETTERMANNschen Rechtsdenkens zu sagen. Hervorzuheben
ist da von vornherein das durchgängig zu spürende strenge
Bestreben, in der zunehmenden Vielfalt der rechtlich zu bewältigenden
Konfliktlagen Klarheit zu schaffen und drohenden Verwirrungen
energisch entgegenzutreten. Verbunden ist dies damit, dass BETTERMANN
es in ungewöhnlicher Weise versteht, aktuelle Einzelfragen
in ihren Zusammenhang mit fundierenden Rechtsgrundsätzen
zu stellen. Hierdurch wird ebenso für die rationale Lösung
konkreter Konflikte gesorgt wie für die Lebendigerhaltung
und Fortentwicklung der Grundsätze. Und zugleich wird mit
dem immer wieder neuen Durchstoß aus der Mannigfaltigkeit
der Details zu übergreifenden Normgehalten die Einheit der
Gesamtrechtsordnung systematisch bis in die Einzelheiten konkreter
Lebenssachverhalte hinein bestimmend zur Geltung gebracht. Der
ständigen Gefahr, dass das Recht zu einer bloßen Aneinanderreihung
zahlreicher isolierter Einzelvorschriften verflacht, tritt BETTERMANN
mit diesem allenthalben zum Grundsätzlichen vordringenden
Rechtsdenken nachhaltig entgegen. In hohem Maße zugute kommt
dem, dass BETTERMANN eine Vielzahl von verschiedenen Feldern der
Rechtsordnung nicht nur überschaut, sondern im Sinne weiterführender
wissenschaftlicher Durchdringung souverän beherrscht, wie
dies in einer solchen Breite nur noch selten zu finden ist.
Die Wissenschaft vom Recht als einer lebendigen Kulturerscheinung
bedarf des Diskurses und der fortwährenden geistigen Auseinandersetzung.
So gehört es auch zum Bilde des heute zu ehrenden Juristen
BETTERMANN, dass er - allem Beschönigen und Beschwichtigen
zutiefst abgeneigt - im wissenschaftlichen Ringen um klare Einsichten
und notwendige Konsequenzen sich nie gescheut hat, sachliche Meinungsverschiedenheiten
in unmißverständlicher Weise auszufechten. Und wenn
in der juristischen Diskussion bisweilen eine Neigung besteht,
vorgefundene Ansichten rasch zu übernehmen, sofern sie nur
bereits bei anderen eine breite Anerkennung gefunden haben, so
gilt dies mit Sicherheit nicht für KARL AUGUST BETTERMANN.
Bezeichnend für die Eigenständigkeit und Originalität
seiner wissenschaftlichen Arbeit sind vielmehr nicht zuletzt auch
die mannigfaltigen Anstöße und Bereicherungen, die
die Rechtswissenschaft seinen kritischen Auseinandersetzungen
mit überkommenen herrschenden Meinungen verdankt.
Zu erwähnen ist schließlich noch ein Weiteres: Es ist
ein wesentliches Element des wissenschaftlichen Wirkens von KARL
AUGUST BETTERMANN, dass zur scharfsinnigen Analyse und hellsichtigen
Durchleuchtung von vielfältigen rechtlichen Problemen und
Problemzusammenhängen von Anfang an die persönliche
Sorge darum getreten ist, Jüngeren den Geist und die Notwendigkeit
der wissenschaftlichen Pflege von Recht und Rechtskultur nahezubringen.
Ein großer, weit über die Grenzen unseres Landes hinausreichender
Kreis bedeutender akademischer Schüler, die in regem Austausch
mit dem einstigen Lehrer stehen, ist hierfür lebendiges Zeugnis.
Meine Damen und Herren, ich fasse zusammen: Die Joachim Jungius-Gesellschaft
der Wissenschaften ehrt einen großen Juristen - unsere besten
Wünsche begleiten ihn.
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