Albrecht Dihle
Die Wahrnehmung des Fremden im Alten Griechenland
Berichte a. d. Sitz. der Joach. Jungius Ges., Jg 21, Heft 2, 30 Seiten, kart., (ISBN 3-525-86320-9), € 6,40.

Die Griechen erwarben durch Handel, Koloniegründungen und nach dem Alexanderzug als Eroberer großer Landstriche be-trächtliche Weltkenntnis. Ihre Einstellung zu Angehörigen fremder Völker, soweit in der erhaltenen Literatur bezeugt, wandelte sich im Laufe der Jahrhunderte. Die Bewunderung für die alten vorderorientalischen Kulturen, von denen man vor allem in der archaischen Periode zu lernen bestrebt war, wurde als Folge der Perserkriege von einem gesteigerten Stolz auf die gesellschaftli-che Ordnung der Polis abgelöst, in den sich unter dem Eindruck politischer Schwierigkeiten fremdenfeindliche Töne mischen konnten. Die Ausbreitung und Weltgeltung der griechischen Zi-vilisation nach dem Alexanderzug erhielt im römischen Kaiser-reich einen festen Rahmen. So entstand das Bewusstsein, in einer Rechtsordnung wie in einer weltumspannenden Stadt mit einzig-artiger Zivilisation sicher zu leben. Das konnte sich mit lebhaf-tem Interesse an exotischen Traditionen, insbesondere solchen religiösen Charakters, aber auch mit Zivilisationskritik verbin-den, die sich aus Nachrichten über unzivilisiertere Nachbarvölker speiste. Das wiederum begünstigte vornehmlich in der Kaiserzeit Entwürfe eines "romantischen" Bildes, das man sich von den Barbaren der Vergangenheit und Gegenwart machte. Freilich blieb die griechische, später griechisch-römische Kultur ganz selbstbezogen. Darum wurden nie exotische Sprachen und Texte so intensiv studiert, dass sie zum Medium höherer Bildung wer-den konnten. Das wenige, was man über die Gefühle des "Man-nes auf der Straße" meist aus nichtliterarischen Zeugnissen oder zufälligen Bemerkungen in literarischen Texten erfährt, lässt auf eine Mischung von Sympathien und Antipathien schließen wie sie ähnlich bei uns zu beobachten ist.