Würdigung und Danksagung

Auf Vorschlag der Joachim Jungius-Gesellschaft der Wissenschaften verleiht die
DR. HELMUT UND HANNELORE GREVE STIFTUNG
FÜR WISSENSCHAFTEN UND KULTUR
den Förderpreis an
Herrn Dr. rer. nat. Martin Henke
Institut für Geschichte der Naturwissenschaften, Mathematik und Technik, Universität Hamburg


Herr Dr. Martin Henke stellt in seiner Dissertation Leben und Werk eines heute fast völlig vergessenen Physikers dar. Auf theoretischen Überlegungen fußend hat W. B. Feddersen 1857 nachgewiesen, dass elektrische Funken aus oszillierenden Ladungen bestehen; er ermöglichte so H. Hertz, 30 Jahre später elektromagnetische Wellen nach-zuweisen. Herr Dr. Henke hat mit bewundernswertem Spürsinn sehr entlegene Quellen entdeckt und vorbildlich ausgewertet. Dadurch lieferte er nicht nur einen fundierten Beitrag zu einem wenig bekannten Kapitel der Entwicklung der Elektrophysik, sondern erhellt am Beispiel eines wissenschaftlichen Außenseiters auch die Wissenschaftspraxis der damaligen Zeit.

Hamburg, am 10. November 2000


(Dr. Helmut Greve) (Hannelore Greve)
Stiftungsvorstand

 

Danksagung von Dr. Martin Henke

Sehr geehrter Herr Präsident, sehr verehrtes Ehepaar GREVE, meine sehr geehrten Damen und Herren!

Lassen Sie mich mit einem Zitat beginnen: "Aber recht finde ich es doch nicht, wenn bei der drahtlosen Telegraphie immer von Hertzschen Wellen gesprochen wird oder Hertzschen Schwingungen. Eigentlich handelt es sich in den gegenwärtigen Ausführungen doch immer um Feddersensche Schwingungen!" Diese Einschätzung eines Zeitgenossen umreißt sehr schön die Thematik meiner Dissertation. Ich habe versucht, die Arbeiten von BEREND WILHELM FEDDERSEN nachzuzeichnen, Entwicklungen aufzuzeigen und sie in einen wissenschaftshistorischen Kontext zu stellen. FEDDERSEN, 1831 in Schleswig geboren, war einer der Pioniere der Elektrodynamik. Mit seinen Forschungen untersuchte er die Bewegung des elektrischen Stromes bei der Entladung von elektrisch geladenen Körpern. In ihren theoretischen Vorarbeiten hatten HELMHOLTZ, THOMSON und KIRCHHOFF nachgewiesen, daß der Strom bei einer elektrischen Entladung nicht wie angenommen in eine Richtung fließt, sondern unter bestimmten Bedingungen permanent die Richtung wechselt. FEDDERSENs Ansinnen war es, diese Oszillation experimentell zu untersuchen. Wie machte er das? Elektrischer Strom hat für den Experimentator die unangenehme Eigenschaft, das man ihn nicht sieht! FEDDERSEN mußte ihn also zunächst einmal sichtbar machen. Dazu trennte er den Stromkreis auf und fügte eine kleine Funkenstrecke ein, in der bei der Entladung ein Funken übersprang. Diesen Funken galt es zu untersuchen. Das Problem bei einem elektrischen Funken ist, das er ein Ereignis von extrem kurzer Dauer ist. FEDDERSEN entwarf und verfeinerte einen Apparat, in dem ein rotierender Spiegel das Bild des Funkens auf eine fotografische Platte warf. Mit diesem - in Hamburg würde man sagen - "figelienschen" Versuchsaufbau war es möglich, den Funken zu dehnen und fotografisch aufzuzeichnen. In seiner Untersuchungsreihe variierte er eine Vielzahl von Parametern und konnte so nicht nur den Nachweis führen, daß eine elektrische Oszillation existierte, sondern darüber hinaus noch quantitative Abhängigkeiten bestimmen. Den Originalversuchsaufbau stiftete FEDDERSEN später dem Deutschen Museum in München, wo er heute noch in der Abteilung für "Elektromagnetische Schwingungen" neben den Aufbauten von HERTZ besichtigt werden kann. Ob nun FEDDERSEN oder aber der eine Generation später tätige HERTZ der Urheber der Elektrodynamik, wie sich die um die Jahrhundertwende entstehende Disziplin nannte, war, läßt sich wissenschaftshistorisch natürlich nicht klären. FEDDERSEN selber unternahm 1910 einen Versuch zur Klärung dieser Frage. In dem halben Jahrhundert, das seit der Entdeckung der elektrischer Schwingungen vergangen waren, hatte sich das tägliche Leben drastisch verändert. Es sei hier nur die Entwicklung der drahtlosen Telegraphie genannt, die 1907 mit der Einrichtung eines regelmässigen transatlantischen Telegraphendienstes ihren vorläufigen Höhepunkt fand. FEDDERSEN war Zeuge dieser Entwicklung, und es war überdeutlich, dass er als einer der Väter dieser Technologie in Vergessenheit geraten war. Um dem entgegenzuwirken, startete er 1904 eine Korrespondenz mit europäischen Physikern und bat um Stellungnahmen zur Urheberschaft der Elektrodynamik. Die Antworten zeigten, daß der Stellungwert seiner Untersuchungen schon von seinen Zeitgenossen unterschiedlich beurteilt wurde. So wurde er auf der einen Seite uneingeschränkt als Begründer der Elektrodynamik genannt, während ihm auf der anderen Seite jede Urheberschaft abgesprochen wurde. Aus der heutigen Sicht betrachtet setzte sich offensichtlich die ablehnende Haltung durch.
Aber FEDDERSEN hat nicht nur als Experimentator seinen Platz in der Physikgeschichte gefunden. Seine weiteren wissenschaftshistorisch relevanten Aktivitäten bringen mich auch direkt zum - für den heutigen Abend - fast wichtigeren Teil meiner kleinen Rede. Das Ehepaar FEDDERSEN - von Haus aus vermögend - trat nämlich auch als Förderer und Mäzen der Wissenschaften in Erscheinung. So spendeten sie unter anderem 1918 einen sehr hohen Betrag der Königlich Sächsischen Gesellschaft der Wissenschaften, der heutigen Sächsischen Akademie der Wissenschaften. Darüber hinaus vermachten sie ihre Stadtvilla in Leipzig der Universität, die sie heute noch für Institute der medizinischen Fakultät nutzt. Man erkenne die Parallelen!
Daß sich dieses Konzept der privaten Förderung von wissenschaftlicher Forschung als überaus erfolgreich zeigt und auch heute noch Anwendung findet, macht gerade mich heute abend glücklich und auch etwas stolz. Ich möchte mich deshalb ganz herzlich bei Ihnen, verehrtes Ehepaar GREVE, als Stifter des Förderpreises, und bei Ihnen Herr Professor PAWLIK, als Präsidenten der Joachim Jungius-Gesellschaft der Wissenschaften, für die Verleihung dieses Preises bedanken.
Vielen Dank.

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